Es gibt bereits viele Siegel, ob für fairen Handel oder ökologischen Anbau, die Transparenz einfordern und ein solides Prüfsystem haben. Lieferkettentransparenz ist dank der Digitalisierung möglich und wegen globaler Märkte, deren Unternehmen sich demokratischer Kontrollen entziehen, dringend notwendig! Hier stellen wir vor, wie das mit der Karte von morgen gehen kann.
Inhalt
Warum braucht es Lieferkettentransparenz?
Immer mehr Menschen orientieren sich an Siegeln und die meist verbreitetsten wie Bioland, Naturland, Demeter, Fairtrade oder Gepa sind absolut vertrauenswürdig. Leider sind es insgesamt aber noch viel zu wenig Verbraucher*innen, die konsequent darauf achten. Neben dem Preis spielt sicherlich auch fehlendes Vertrauen eine Rolle. Denn das Vertrauen der guten Siegel machen sich manche Discounter zu nutze und versuchen durch Eigensiegel, die auf den zweiten Blick nur freiwilliges Bemühen ausdrücken, ihren Kunden ein gutes Gewissen zu geben. Auch Kontrollen sind bei Eigensiegel fraglich, wird doch mehr Bio-Baumwolle verkauft als angebaut und das geht nur, weil keiner Nachweisen muss, woher die Wolle kommt. Daher sollte man die Siegel genau kennen. Schaffen wir vielleicht auch mehr Vertrauen wenn wir vom Glauben zur Transparenz kommen? Wenn man im Zweifel die gesamte Lieferkette einsehen kann, bleibt wenig Platz für Misstrauen. Würde das mehr Verbraucher*innen überzeugen?
Bei uns ist alles gut, wir wissen nur nicht woher es kommt
Leider nutzen aber immer noch viel zu wenige Produzenten Siegel. Fragt man bei Unternehmen nach Menschenrechtsstandards und Umweltauswirkungen heißt es oft, „bei uns ist alles super, wir achten da besonders stark drauf.“ 2014 wurde ich als Vorstand von Ideen³ e.V. als eine Stimme der Zivilgesellschaft ins Auswärtige Amt geladen, zur Ausarbeitung des nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) und konnte endlich mal im Detail bei der IHK, den vertretenen Konzern und deren Menschenrechtsbeauftragten nachfragen, woher die Produkte kommen. Doch die Überraschung war groß: Selbst hp wisse nicht, wo ihre Drucker hergestellt würden. „Das sei schlicht unmöglich in einer globalen Lieferkette, so etwas nach zu vollziehen“. Die selbe Antwort bekam ich von fast allen Technik, Textil und Lebensmittelmarken, die zunächst auf Hochglanzbroschüren ihr „Bemühen“ für Menschenrechte deutlich machten, aber scheinbar nicht einmal den Versuch unternahmen, ihre Lieferkette nachzuvollziehen, geschweige denn transparent zu machen. Wie können sie dann behaupten, in ihren Lieferketten sei alles in Ordnung?!
Das zeigt: freiwillige Selbstverpflichtungen, wie sie im NAP vorgesehen sind, sind lächerlich und Transparenz nur da zu machen, wo es passt, löst die wirklichen Probleme nicht.
Klar ist es für ein mittelständisches Unternehmen in Europa schwer eine komplette Lieferketten auf zu arbeiten. Aber wenn jedes Unternehmen seine Zulieferer und Partner öffentlich nennen könnte, auf einer Plattform, die alle nutzen, validieren und kommentieren können, so könnte man zumindest auf Zulieferer setzen, die ihre Zulieferer transparent machen. Und diese Transparenz könnte Europa dann eines Tages auch steuerlich bevorzugen.
Lieferkettentransparenz erfordert kooperatives Wirtschaften
Obgleich ich nicht nur mit den anderen NGOs sondern auch mit Kleinunternehmen einer Meinung war, dass es zumindest steuerliche Anreize geben müsste, für Unternehmen, die ihre Lieferketten öffentlich machen, so war es besonders die IHK, die das entweder für unmöglich ansah oder als Wettbewerbsverzerrung. Denn Zulieferer dazu zu zwingen, ihre Lieferanten und Subunternehmen offenzulegen, würde schlicht deren Geschäftsmodelle kaputt machen. Im globalen Markt sind Kontakte das größte Geheimnis und die fetteste Cashcow.
Transparente Lieferketten würden unweigerlich dazu führen, dass Zwischenhändler nicht mehr die dicken Fische im Weltmarkt sein können, die jetzt den größten Profit machen, meist auf kosten der Arbeiter*innen, die bewusst versteckt und mundtot gemacht werden. Die Intransparenz geschieht nicht unbedingt aus bösen Willen, sondern als „Notwendigkeit“ im Konkurrenzkampf, weshalb Freiwilligkeit das Problem nicht löst. Aber Schon im Kleinen, bei meiner Reise Ende 2019 zu fairen Kaffee-Produzenten in Mexico, ist mir dieser wunde Punkt aufgefallen: Die Händler nannten gerne Qualität und Anbauregion aber nie die Fincas und Namen der Bauern. Es brauchte viel Vertrauensaufbau um klar zu machen, mir geht es um Augenhöhe und Transparenz und nicht darum, dem Händler seinen Kontakte zu klauen.
Aber kein Wunder, dass von den Zwischenhändlern der größte Gegenwind zur Lieferkettentransparenz kommt. Ein freier Markt, wie ihn Adam Smith als Grundlage für einen funktionierenden Kapitalismus vorgesehen hat, ist das lange nicht: Der Welthandel ist ein Oligopol von 15 Konzernen (nur 5 Konzerne beherrschen den Lebensmittelmarkt) und ein großer Sklavenmarkt von Namenlosen Arbeiter*innen in Schwellen- und Entwicklungsländern hält ihn am Laufen.
Mit zunehmender Sichtbarkeit werden Arbeiter*innen eine Stimme bekommen und sich ihre Kunden aussuchen können. Genau davor sorgen sich die Zwischenhändler, und wollen ihre Lieferketten nicht offen legen. Damit werden aber in Zukunft die Weltmarkthaien auf gleichberechtigte Partnerschaften angewiesen sein und müssen von ihrem Thron steigen, sonst werden sie von den Produzenten einfach umgangen.
Das bedeutet aber nicht, dass sie überflüssig sind. Zwischenhändler sind das Wasser im Weltmarkt, dass Angebot und Nachfrage ausgleicht. (Und da nicht alle Marktteilnehmer auf einem Niveau sind, braucht es Gesetze als Staudämme, die Sicherstellen, dass nicht alles Wasser zu den reichen läuft, sondern das Eigentum in den Ländern und bei den Menschen bleibt.) Da Vertrauen aber eine zwischenmenschliche Frage ist und sich nicht endlos skalieren lässt, wird Lieferkettentransparenz auch zu mehr kleineren Handelsbeziehungen und Genossenschaften führen. Lieferkettentransparenz ist damit ein natürliches Mittel gegen das Oligopol.
Das Lieferkettengesetz und erste Anfänge
Es gibt immer mehr Beispielprojekte wie Unverpacktläden, Einhorn und Vaude, gerade aus dem Umfeld der Gemeinwohlökonomie, die ihre Lieferketten offen legen wollen und dazu unsere Karte von morgen nutzen.
Zudem hat sich eine breite Bewegung aus Zivilgesellschaft, Unternehmen und Abgeordneten formiert, die ein Lieferkettengesetz fordern, das Unternehmen in Haftung nimmt, für Menschenrechtsverbrechen, die in ihrer Lieferkette auftreten, wenn sie nicht glaubhaft nachweisen können, alles dafür getan zu haben, dies zu vermeiden. Eine Ausrede „wir wissen nicht, wer für uns arbeitet.“ ist damit unmöglich! Dies ist ein wichtiger Schritt, damit Unternehmen überhaupt damit anfangen, Transparenz von ihren Zulieferbetrieben ein zu fordern.
Wir wollen mit der Lieferkettentransparenz mit freiwilligen Partnern beginnen, um zu zeigen, dass es geht. Dann muss die Transparenz aber möglichst bald steuerlich bevorzugt werden, dass sie sich lohnt. Zusammen mit der Gemeinwohlökonomie fordern wir noch mehr: Es ist unmöglich, das immer jedes noch so kleine Unternehmen über jeden Schritt in der Lieferkette bescheid weiß, aber es muss Steuervorteile geben, je mehr Transparenz nachweisbar ist und je besser die Umwelt- und Menschenrechtsstandards sind.
Und wir schaffen hier die technische Grundlage, damit die Transparenz im Alltag möglich ist.
Die Lieferketten- und Netzwerkfunktion auf der Karte von morgen
Aktuell können alle Unternehmen einer Lieferkette bereits kartiert und bewertet werden, jedoch noch nicht übersichtlich als Lieferkette verbunden werden. Hinter jedem Produkt steht jedoch eine Kette mit unzähligen Abzweigungen bis zu den Rohstoffen und tausenden Geschichten. Das hatten wir zwischenzeitlich bereits über unseren „Ourconomy“ Prtotypen abgebildet und wollen es nun weiter entwickeln.
Bridgebuilder_Kartevonmorgen from Anna Rogun on Vimeo.
Verbindungen darstellen
Ob Zulieferer, Lieferketten, Netzwerke oder Stadtrundgang, immer geht es darum, Einträge der Karte in einer bestimmten Reihenfolge dar zu stellen.
Die Pfeilrichtung geht dabei immer in die Richtung des Produktes/ Dienstleistung bzw. Weiterentwicklung, das Geld folglich genau entgegengesetzt der Pfeilrichtung. Man kann auch Netzwerke anzeigen, also Verbindungen ganz ohne Pfeile.
Jede Verbindung summiert die Positivfaktoren auf. Alle guten wie negativen Umweltauswirkungen und menschenrechtlichen Konsequenzen werden zusammengefasst und sichtbar. Die Bewertungen der einzelnen Punkte einer Lieferketten werden damit um so wichtiger. Eine weltweit fälschungssichere Übertragung der Bewertungen ist dafür entscheidend.
1. Zulieferer
Dabei geht es darum darzustellen, woher ein bestimmter Ort seine Produkte/Dienstleistungen bezieht. Ein gutes Beispiel ist die Foodcoop Emmendingen:
Aktuell können wir lediglich alle Orte darstellen, die unsere Foodcoop beliefern, aber nicht richtig übersichtlich.
Ziel wäre nun, dass der belieferte Ort einen eingeblendeten Namen hat und in der Ergebnisliste ganz oben steht und ein Pfeil von allen anderen Orten auf den Ort zeigen.
Zusätzlich wäre es gut, wenn man die Zulieferer ranken kann, sodass der größte und wichtigste ganz oben erscheint, und entsprechend vielleicht eine größere Linie hat, als der Rest.
Jede Verbindung hat beliebig viele Hashtags und optional eine Kurzbeschreibung, Link und Titel (aber keine Adresse oder Kontaktdaten), die bei Mouse-over angezeigt werden. Klickt man auf eine Linie, öffnet sie sich wie ein Eintrag auf der linken Seite. Unter Titel, Kurzbeschreibung und Stichworte erscheint dann eine Liste aller Punkte, die von dieser Linie verbunden werden.
Diese Zuliferketten sind immer open source, d.h. wenn zwei Unternehmen vom selben Zulieferer Produkte beziehen, können sie die gleiche Darstellung verwenden.
2. Lieferketten
Lieferketten sind letztlich die Verbindung mehrerer Punkte inkl. deren Zulieferer. Jede Lieferkette hat einen Hashtag, der bspw. ein Produktname sein könnte. Es können einen Hashtag andere Subhashtags zugeordnet werden, sodass man damit auf kartierte Lieferketten zurückgreifen kann. So kann die Lieferkette eines Pullovers bis zu einem bestimmten Punkt identisch sein, mit der Lieferkette eines T-Shirts ohne dass alles neu kartiert und aktuell gehalten werden muss.
Lieferketten können extrem komplex werden, wie dieses Beispiel zeigt:
Wir haben mal testweise damit begonnen, die Lieferkette von VAUDE zu kartieren. Folgende Karte zeigt alle Zulieferer und Fabriken, die besonders in Europa und Asien sind:
3. Netzwerk
Gerade bei Initiativen ist eine Netzwerkdarstellung interessant, da dort eher Verbindungen, aber keine Produkte oder Dienstleistungen geteilt werden. Dabei haben die Linien keine Pfeile. Auch eine Reihenfolge und Gewichtung ist dabei uninteressant.
4. Stadtrundgang oder Führung
Die Transition-Stadtrundgänge, konsumkritische Stadtrundgänge oder Ideen-erfahren Radtouren sind beliebte Bildungsformate und machen Themen sehr real sichtbar. Die Verbindungen bei einem Stadtrundgang haben immer eine Richtung und sollten sich nie aufteilen könne, sodass die Reihenfolge immer eindeutig ist.
Stand der Umsetzung
Derzeit suchen wir Partner. Die Gemeinwohlökonomie und Transition-Towns sind hierbei konsequente Mitdenker und Antragspartner unseres Klimafit-Projektes. Bisher fehlt uns noch die Finanzierung der Entwicklung. Vaude und Einhorn haben neben vielen kleineren Initiativen bereits die Bereitschaft geäußert, ihre Lieferkette transparent zu machen.
Es gibt schon ein paar Issues zu dieser Funktion, wo die technischen Details diskutiert werden. Es braucht Schnittstellen zu allen vertrauenswürdigen zertifizierenden Stellen weltweit und anderen Datenbanken. Nachhaltigkeitsbewertungen sollen so möglichst einfach ausgetauscht werden, sodass am Ende ein holistisches Bild entsteht.
Wenn Sie an diesem Projekt mitarbeiten wollen, melden Sie sich bitte bei Helmut@Kartevonmorgen.org
Ich habe in der letzten Zeit 2 Produkte in einem Reitsportgeschäft gekauft und Pullover und Kopfhörer sowie einen Fitness Ball am Internet online. Bei KEINEM der Produkte war vorher am Internetshop bzw. dann im Produkt ein „made in …“, aslo das Herstellerland angegeben. Auch nach Erhalt der Ware war kein Herstellerland auf der Verpackung, am Lieferschein, am Produkt abzulesen. Bei gewissen Produkten, die sogar auch noch einen „Grünen Knopf“ als Gütesiegel tragen, frage ich mich, wie das geht, weil Sie ja in einem diktatorisch regierten Land die Ware einkaufen und dort gar nicht nachkontrollierbar ist, bzw. davon auszugehen ist, dass die Menschenrechte dort nicht eingehalten werden.